Gastbeitrag von Oliver Tessmann, Fachbereich Architektur, Fachgebiet Digitales Gestalten (DDU)
Das im folgenden beschriebene Projekt konnte durch das Förderprogramm „Studentische E-Learning Experten“ unterstützt werden. Dieses wiederum ist Teil des hessenweiten Projekts „digLL – Digital gestütztes Lehren und Lernen in Hessen“.
Hintergrund der Lehrveranstaltung & Projektvorhaben
Die Vorlesung „Gestalten mit Medien“ ist eine Pflichtveranstaltung im 2. Semester des Bachelor-Studiengangs „Architektur“. Zur Veranstaltung sind durchschnittlich 160 Studierende angemeldet. Die Vorlesung thematisiert die Wechselwirkung zwischen Entwurfswerkzeugen und den daraus hervorgehenden Resultaten. Dabei werden Projekte, Denkschulen, Methoden und Werkzeuge aus 500 Jahren Architekturgeschichte betrachtet und zeitgenössische digitale Technologien in einen historischen Kontext gesetzt. In den dazugehörigen Übungen erlernen Studierende aktiv digitale Werkzeuge zum Entwerfen und Darstellen.
Für die Übung wird bereits seit 2015 Moodle eingesetzt, um Aufgabenstellungen, Arbeitsmaterial und Tutorials bereitzustellen sowie Abgaben zu organisieren und ein Forum zu betreiben.
In diesem Projekt sollten digitale Werkzeuge entwickelt und getestet werden, die für mehr Interaktion in der Vorlesung sorgen. So sollten mit Hilfe von digitalen Umfragetools Schwellen zur aktiven Beteiligung der Studierenden an der Vorlesung abgebaut werden und Mini-Aufgaben in Kleingruppen (Sitznachbar) während der Vorlesung erarbeitet, diskutiert und präsentiert werden können. Außerdem sollten Tests und Quizze zur Auseinandersetzung mit den Vorlesungsinhalten einladen und schließlich Lernvideos für die Nutzung von parametrischer 3D-Modelliersoftware (CAD), 3D-Druck, Laserschneiden und Virtual Reality entwickelt werden. Nach ersten Tests zum Erstellen von thematischen Wortwolken, die der „Schwarm“ der aktiven Zuhörenden über ihre Mobiltelefone eingibt und die in Echtzeitdarstellung auf der Projektionsfläche des Hörsaals erscheinen, machte die Corona-Pandemie einen Strategiewechsel erforderlich.
Die Vorlesungen wurden aufgezeichnet und an dieses neue Format angepasst. Statt die sonst im Hörsaal stattfindenden Vorlesungen 1:1 abzufilmen, wurden die neuen Potentiale der veränderten Situation ausgetestet. Ziel war es, die neuen Formate auch nach der ersehnten Rückkehr zur Präsenzlehre nutzen zu können.
Daraus haben sich folgende Neuerungen und Anpassungen ergeben:
Vorlesungen in kürzere Abschnitte einteilen
Die Gliederung der Vorlesungen wurde neu strukturiert, um in kürzeren Sequenzen von ca. 15 -30 Minuten Inhalte zu präsentieren. Anschließend wurden dazu Fragen und Quizze in Moodle bereitgestellt, die zu einer Reflektion der neuen Information einladen. Einzelne Vorlesungsinhalte wurden bewusst in prägnanter und kondensierter Form dargestellt, wie sie aus Social Media bekannt ist. Unsere Kurzvorlesung „What is Computational Design? And 9 Concepts Related to It“ wurde auf YouTube seit Mai 2020 bereits über 8.700 mal angeklickt (Stand 23. Februar 2021).
Inhalte vielfältiger gestalten
Durch das Aufzeichnungsformat konnten Inhalte vielfältiger und ortsungebundener präsentiert werden. Die digitale Fabrikation wurde anhand der verschiedenen technologischen Konzepte (3D-Druck, Laserschneiden, CNC-Fräsen, Robotik) und architektonischen Beispielprojekten erklärt. Darüber hinaus erklärte der Leiter der Werkstatt des Fachbereichs Architektur in einem Interview die Laserschneider und 3D-Drucker, die den Studierenden in unserem Hause zur Verfügung stehen. Mit diesem Format wurden theoretische, praktische und administrativ/pragmatische Aspekte eines Themas verknüpft. Studierende sahen die Verknüpfung der Vorlesungsinhalte und ihrer Aufgaben in den Übungen.
Das Digitale interdisziplinär denken
Digitale Gestaltungsmedien durchdringen fast alle Bereiche des architektonischen Schaffens. Von der ersten Ideenfindung, über die Simulation von Tragverhalten und Tageslicht bis zur Materialisierung kommen rechnerbasierte Methoden zum Einsatz. Auch dieser Themenkomplex sollte durch Spaziergänge im Haus und Besuche anderer Fachgebiete verdeutlicht werden. So wurden die Arbeiten der Fachgebiete Plastisches Gestalten von Prof. Auslender (siehe Bild) und Tragwerksentwicklung von Prof. Dr.-Ing. Tichelmann besucht. Anhand von dort ausgestellten Modellen konnten die Bezüge zum digitalen Arbeiten konkret erläutert werden. Weiterhin lieferte Andreas Pilot vom Fachgebiet Entwerfen und Gebäudetechnologie von Prof. Anett-Maude Joppien einen Gastbeitrag zum Thema Building Information Modelling (BIM).
Internationaler werden
Der abrupte Umstieg von Präsenzveranstaltungen auf Videokonferenzsysteme hat den Vorteil, dass internationale Vernetzung extrem vereinfacht wurde. Für die Vorlesungsreihe Gestalten mit Medien haben wir uns diesen Vorteil zunutze gemacht, um Expertinnen und Experten zum Thema Robotik in der Architektur, Digitaler Holzbau und 3D-Druck aus München, Zürich, London und Toronto zu interviewen. Somit wurde spannende Forschung und wegweisende Projekte nicht aus Lehrbüchern, sondern von den Protagonisten selber präsentiert.
Vorlesungsinhalte aktiv reflektieren
Mit Hilfe von Quizzes, Multiple Choice Fragen, aber auch Freitextfeldern wurden Teilnehmende eingeladen, die Inhalte der Vorlesung aktiv zu reflektieren.
Video Tutorials
Die Vorlesung beschäftigt sich bewusst nicht mit detaillierten Fragen zum Erlernen von Software, da dies aktiv in den Übungen erfolgen soll. Im Projekt wurden deshalb Lernvideos für die Nutzung von parametrischer 3D-Modelliersoftware (CAD), 3D-Druck, und Laserschneiden für die Nutzung in den begleitenden Übungen entwickelt. Die Videos sind intern über Moodle abrufbar und wurden gleichzeitig auf YouTube global zugänglich gemacht, um die Arbeit des Fachgebiets in der Community sichtbar zu machen. Die 30 Lernvideos auf YouTube wurden Stand Februar 2021 insgesamt ca. 39.000 mal abgerufen.
Fazit
Das Projekt „Studentische E-Learning Experten“ für die Vorlesung Gestalten mit Medien im Fachbereich Architektur hat zu einer deutlichen Qualitätssteigerung in der Lehrveranstaltung geführt. Aufgenommene Vorlesungen wurden vielfältiger, interdisziplinärer, interaktiver und internationaler. Die Studierbarkeit wurde verbessert, weil Inhalte flexibel abrufbar waren und Lernvideos in individueller Geschwindigkeit genutzt werden konnten. Die Interaktionsangebote in Moodle wurden von den Teilnehmenden angenommen. Die hohe Abrufrate der Lernvideos lässt darauf schließen, dass Inhalte produktiv und verständlich aufgearbeitet wurden.
Die erarbeiteten digitalen Inhalte werden auch dann nützlich sein, wenn wir endlich zu einer Präsenzlehre zurückkehren können. Dabei sind verschiedene Modelle denkbar: Flipped classroom, bei dem die Präsenzzeit für Diskussion und Rückfragen vorher bereitgestellter Inhalte genutzt wird, aber eine Umwandlung der Moodle-Aktivitäten zu digitaler Interaktion im Hörsaal. Wir sind gerüstet, was immer die Zukunft bringt.