Das gemeinsame Schreiben von Wikibooks in Pädagogikseminaren
Dieser Beitrag ist Teil einer Reihe von praxiserprobten Medienkonzepten, die im Rahmen des zQSL-Projekts „Digitale Lehrerbildung“ entstanden sind.
Das Ziel der Ausarbeitungen ist es, Einblicke in verschiedene Lehraktivitäten und mediendidaktische Konzeptionen an der TU Darmstadt zu geben. An der Konzeptualisierung, Ausarbeitung und Umsetzung der praxiserprobten Medienkonzepte waren beteiligt: Petra Grell, Gülsah Kilic, Tine Nowak, Franco Rau, Sophie Schaper, Anni Steiner, Julia Werthmüller und Marco Wolf.
Studierende schreiben gemeinsam in neuen Kontexten
Das Konzept zum gemeinsamen Schreiben eines Wikibooks wurde in der Pädagogik erprobt und richtete sich an Lehramtsstudierende sowie Pädagogik-Hauptfachstudierende im Grundstudium bzw. im Bachelorstudium. Die Erarbeitung des Wikibooks „Lehren, Lernen und Bildung metaphorisch verstehen“ (ausführlich im Blogbeitrag) begann im Sommersemester 2015 mit zwei Veranstaltungen (LAG und B.A. Pädagogik) und wurde im Wintersemester 2015/16 fortgeführt.
Insbesondere das gemeinsame Schreiben eines Wikibooks kann Studierenden neue Möglichkeiten eröffnen, sich aktiv und kreativ gestaltend im Seminar sowie bei Entscheidungsprozessen zur Gestaltung von Seminarprodukten einzubringen. Wikibooks.org bietet vor diesem Hintergrund einerseits eine technische Plattform zur Erweiterung der Interaktions- und Kommunikationsmöglichkeiten der Studierenden untereinander. Zum anderen eröffnen die Offenheit der Arbeitsprodukte sowie die Community der Wikibookianer*innen neue Erfahrungs- und Artikulationsräume, die über den Seminarkontext hinaus reichen. Studierenden wird es durch die Arbeit mit Wikibooks möglich, einen Beitrag für eine offene und freie Kultur zu leisten.
Reflexive Auseinandersetzung der Studierenden steht im Fokus
Im Fokus der Erstellung des Wikibooks stand die reflexive Auseinandersetzung der Studierenden mit ihre eigenen Vorstellungen über pädagogische Begriffe und Handlungen. Dafür wurde die Aufarbeitung eigener Ideen und Konzepte sowie die Auseinandersetzung mit fachlichen Fragestellungen in das Buchkonzept integriert. Zentrale fachliche Fragestellungen der Seminare waren unter anderem:
● Wie können unterschiedliche Wissensformen von pädagogischen Theorien und Konzepte verstanden werden?
● Welche didaktischen Modelle existierten zur Unterrichtsplanung, zum Lehren und zum Lernen?
● Wie wird Bildung aus pädagogischer Perspektive verstanden?
● Was sind die Unterschiede zwischen formalen, materialen und kategorialen Bildungsbegriffen?
Neue Partizipationsmöglichkeiten entstehen
Im Rahmen des Seminarkonzeptes erfolgte eine Erweiterung der Partizipationsmöglichkeiten hinsichtlich dreier Schwerpunkte:
- durch die Chance, Lernende durch die Produktion von medialen Artefakten aktiver in die Lehr-/Lernveranstaltung einzubinden,
- durch das Potenzial, die Grenzen geschlossener Hochschulkurse durch die Beteiligung an einer offenen Gemeinschaft zu überwinden sowie
- durch die Möglichkeit, verschiedene Formen der Kooperation, Kollaboration und des Feedbacks realisieren zu können.
Zu Punkt 1:
Der Einsatz von Wikibooks schafft durch verpflichtende Aufgaben die Notwendigkeit, dass Lernende den Prozess des Lernens durch das Schreiben von Texten in einer produktiven (und nicht nur in einer konsumierenden) Rolle wahrnehmen. Dies führt mitunter dazu, dass Studierende die Auseinandersetzung mit Inhalten aktiver und überzeugender bzw. mitunter auch zwingender wahrnehmen.
Zu Punkt 2:
Die Verwendung von wikibooks.org eröffnet die Chance, die Grenzen geschlossener Hochschulkurse überwinden zu können. So können die von Studierenden erstellten Texte von Menschen außerhalb der Hochschule gelesen und kommentiert, kritisiert und überarbeitet werden. Entsprechende Erfahrungen können dazu führen, dass Studierende über die Auseinandersetzung mit den medialen Formaten sich auch jenseits der Veranstaltungen mit den Themen auseinandersetzen, indem sie für ihre selbst erstellten Produkte argumentativ eintreten. Dies kann einen motivierenden Effekt für die Studierenden haben.
Zu Punkt 3:
Mit dem Einsatz von Wikis (und Moodle) und den verbundenen neuen Textformaten (im Vergleich zu klassischen Hausarbeiten) können Ideen und Gedankengänge Einzelner dokumentierbar artikuliert werden – wodurch neue Möglichkeiten der eigenen und wechselseitigen Referenzierung entstehen. Kollaboration erfolgt in diesem Sinne in Form textbasierter Auseinandersetzung. Damit entstehen neue Möglichkeiten der Interaktion und es wird möglich, verschiedene Formen der Rückmeldung zu formulieren und zu erleben.
Fazit: Kollaboratives Schreiben als neue Lern- und Arbeitsstrategie muss geübt werden
Das Bereitstellen technischer Möglichkeiten, wie z.B. einem Wikibook, bedeutet nicht, dass die Studierenden diese Möglichkeiten in der erhofften Weise nutzen. So arbeiteten Studierende im Rahmen des Wikibookprojektes nur selten kollaborativ im Rahmen des Wikibooks. Alternative Strategien der Studierenden waren u.a. das Aufteilen der Schreibanlässe sowie die individuelle Bearbeitung mit selbst gewählten Textverarbeitungsprogrammen. Die Plattform Wikibooks diente lediglich als Veröffentlichungs- bzw. Abgabeplattform. Diese alternativen Strategien sind vor dem Hintergrund nachvollziehbar, dass Studierende zum einen selten Erfahrung in kollaborativer Zusammenarbeit gesammelt haben. Dies betrifft sowohl den Umgang mit einem Wiki-Editor (als technische Herausforderung) sowie das kollaborative Schreiben (als herausfordernde Lern- und Arbeitsstrategie). Zum anderen stellte die Arbeit in einer öffentliche Community eine Herausforderung dar (als Herausforderung im Spannungsfeld von Öffentlichkeit und geschützten Lernraum). Als Strategie zum Umgang mit diesen Herausforderungen wurden optionale Workshops zum Umgang mit Wikis angeboten. Ferner wurden Überarbeitungsschleifen zur Verbesserung der jeweiligen Textprodukte eingeplant und Überarbeitungsmöglichkeiten gemeinsam mit den Studierenden im Rahmen des Seminars diskutiert.
Das Seminar „Lehren, Lernen und Bildung metaphorisch verstehen“ von Franco Rau fand am Arbeitsbereich Medienpädagogik statt.
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