Unser gestriges Fachforum “Free Your Lecture! Mit digitalen Medien Freiräume in der Lehre schaffen.” ist auf reges Interesse gestoßen und 75 Teilnehmer konnten die Zeit zum intensiven Austausch nutzen. Passend zu unserem Thema haben wir das klassische Fachforums-Format, das meist nur Frontalvorträge vorsieht, aufgebrochen und mehr Freiraum zum gegenseitigen Erfahrungsaustausch gegeben.
Nach der Begrüßung durch Vizepräsidentin Petra Gehring hat Prof. Jürgen Handke von der Uni Marburg den ersten Input gegeben. Er hat am Beispiel seines Virtual Linguistics Campus (VLC) die Vorteile des Inverted Classroom Model (ICM) dargestellt. Beim ICM findet die Inhaltserschließung zu Hause statt und die Präsenzphase wird zum gemeinsamen Üben, Experimentieren und Analysieren genutzt. Für seine Präsentation hat Prof. Handke ein im VLC bereitgestelltes WBT genutzt. Darin hat er vier Defizite in der Hochschullehre identifiziert:
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- mangelhafte Transparenz
- fehlende Lernerautonomie
- die Inhalte
- die Lehrpersonen
Mit Blick auf die Lehrpersonen betonte Handke, dass die fehlende Ausbildung und Vorbereitung auf das Ausüben der Lehrtätigkeit ein großes Manko sei.
Zur Verbesserung der Situation baut der Marburger Linguist auf das 3E-Modell (E-Learning, E-Teaching und E-Assessment) und “die Auslagerung der Inhaltsvermittlung in qualitätsgesicherte Selbstlernszenarien mit hohem multimedialen Anspruch”: weg vom Frontalunterricht hin zum kooperativen Üben. Dabei ändert sich die Rolle des Lehrenden vom “Alleinwissenden” hin zum Lernbegleiter/Lerncoach. Dazu das Zitat von Alison King (1993): “from sage on the stage to guide on the side”. Die Lernenden werden durch diese Methode zum Mitmachen veranlasst und aktiviert.
“Fachkollegen teilen eher die Zahnbürste als ihre Lehrinhalte” war schließlich das Fazit im Hinblick auf die Weiterverwendung der in Marburg erstellten und frei verfügbaren Materialien.
Die Zeit nach dem ersten Vortrag diente einem ersten Erfahrungsaustausch über Probleme, Missstände, Wünsche, etc. mit Vorlesungen und anderen „klassischen“ Veranstaltungsformen. Dazu wurden in Gruppenarbeit Metaplankarten erstellt, die später auf Posterwänden gruppiert wurden.
Im zweiten Vortrag präsentierte Heiko Merle von der TU Darmstadt, wie das Stahlbau-Wiki zur Verzahnung von Präsenzlernen und Online-Lernen genutzt wird. Dabei werden die Vorlesungen bestimmter Themengebiete durch die Nutzung eines Mediawiki ersetzt. Die Studierenden müssen Aufgaben zu fachspezifischen Themen in Gruppen im Wiki bearbeiten und werden durch verschiedene Betreuungsangebote, wie Präsenz-Sprechstunden, Telefon, Mail und Diskussionen im Wiki selbst unterstützt. Die im Wiki erstellten Inhalte werden per Peer Review kontrolliert: jede Gruppe muss zwei andere Gruppen überprüfen. Die Evalationsergebnisse zeigen, dass sich der Lernerfolg durch die Nutzung des Wiki erhöht hat.
Nachmittags starteten die Posterpräsentationen, bei denen in zwei Runden sich insgesamt acht verschiedene Projekte vorstellten. Das offene Format bot die Gelegenheit, in kleinen Gruppen mit den Verantwortlichen ins Gespräch zu kommen und direkt Fragen klären zu können. Die Posterpräsentationen werden wir in den nächsten Tagen auf unsere Website hochladen.
Im letzten Vortrag stellte Prof. Christian Spannagel von der PH Heidelberg seine “umgedrehte Mathematikvorlesung” vor. Diese wurde auch 2011 in der E-Learning Community diskutiert (Teil 2). Der Mathematik-Professor hat seine Vorlesung ein Semester lang aufgezeichnet, um diese in den folgendenen Semestern den Studierenden per YouTube zur Vorbereitung zur Verfügung zu stellen, ebenfalls nach dem ICM-Konzept. In der Präsenzzeit werden gemeinsam Aufgaben gelöst und Beweise geführt. Dabei wird unter anderem die Methode “aktives Plenum” genutzt: Ein Studierender steht als Schreiber an der Tafel, einer moderiert und alle anderen machen aktiv mit. Der Dozent sitzt hinter der letzten Reihe, gibt methodische Hinweise und schreitet nur bei Bedarf ein – nicht zu früh, um aufkeimende Diskussionen nicht zu ersticken. Zur Frage, wie er sicherstellt, dass die Studierenden die Videos tatsächlich anschauen, gab Spannagel den wichtigen Hinweis, den Inhalt vorauszusetzen und bei der Präsenzzeit keinen Raum für Wiederholungen zu geben. Wer sich die für die Woche aufgegebenen Inhalte anhand der Videos (oder anders) nicht erarbeitet hat, kann dann in der nächsten Präsenzsitzung gegebenenfalls nicht folgen.
Mit einem kleinen Auszug aus den YouTube-Kommentaren schloss er seinen Vortrag und spannte den Bogen zum Eingangsvortrag von Prof. Handke mit dem Hinweis auf Fremdmaterialien. In diesem Fall Jörn Loviscach von der FH Bielefeld: YouTube-Kanal. Das Verwenden nicht selbst erstellter Materialien kann viele Vorteile bringen. Dieser Gedanke wurde auch in der gemeinsamen Diskussion aufgegriffen.
Abschließend konnten die Gruppen, die sich früher am Tag bereits über Probleme, Fragen etc. zur Gestaltung von Vorlesungen, sowohl klassisch als auch mit E-Learning, ausgetauscht hatten, noch einmal ihre Eindrücke des Tages zusammentragen und reflektieren, was sie bezüglich ihrer Problem- u. Fragestellungen nun mitgenommen haben und dies auf Flipcharts festhalten.
Und für alle, die nicht dabei sein konnten: Die Vorträge, Poster und Ergebnisse aus den Austauschrunden finden sich in Kürze auf unserer Website.
Wir möchten uns an dieser Stelle nochmal bei allen Vortragenden und Teilnehmern bedanken und freuen uns auch weiterhin auf regen Erfahrungsaustausch!
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Ich fands super! Vielen Dank für die Veranstaltung und ich hoffe ich kann beim nächsten Mal wieder dabei sein.
Viele Grüße,
Yvonne