Von der Lochkarte zur Cloud – Objektgeschichte digitaler Speichermedien 1


Gastbeitrag von Noro Thorade und Prof. Dr. Martina Heßler.

Das im Folgenden beschriebene Projekt konnte durch das Förderprogramm „Studentische E-Learning Experten“ unterstützt werden. Dieses wiederum ist Teil des hessenweiten Projekts HessenHub – Netzwerk digitale Hochschullehre.

Objektgeschichte im digitalen Semester

Wie lehrt man Objektgeschichte im digitalen Semester? Diese Frage stand am Beginn der geschichtswissenschaftlichen Übung im Sommersemesters 2021. Das Ziel der Übungen in den geschichtswissenschaftlichen Studiengängen ist es, dass sich die Studierenden der Bachelor- und Masterstudiengänge vertiefend mit ausgewählten Quellen auseinandersetzen. Auf dem Gebiet der Technikgeschichte können solche Quellen nicht nur Schriftstücke sein, sondern auch Objekte. Objektquellen stellen eine ganz eigene Quellengattung dar, die insbesondere bei Fragen nach dem alltäglichen Umgang mit technischer Kultur herangezogen werden. Die Objekte werden etwa auf Gebrauchsspuren oder Abnutzung untersucht, es wird die Funktionsweise betrachtet sowie die Passung in größere technische Systeme bewertet. Zentral ist die physische Präsenz der Objekte, und genau die konnte nun im digitalen Semester schwer eingelöst werden.

Eine digitale Ausstellung zu digitalen Objekten

Eine Lösung haben wir dadurch gefunden, dass wir das „Digitale“ in den Mittelpunkt gerückt und auf mehreren Ebenen behandelt haben. Erstens konzentrierten wir uns auf Objekte aus dem digitalen Zeitalter, genauer Objekte der digitalen Datenspeicherung. Zweitens koppelten wir die Übung an eine gemeinschaftliche Aufgabe für die Studierenden, die ihnen neben dem Quellenstudium einen Einblick in ein wichtiges Berufsfeld für Historiker:innen gaben: Die Studierenden sollten gemeinsam eine digitale Ausstellung gestalten. Durch die Kooperation mit dem Museum für Kommunikation Frankfurt und die Unterstützung der Kustodin Dr. Tina Kubot konnten die Studierenden auf eine große Expertise zurückgreifen.

Objekte der Digitalen Datenspeicherung

Die Auswahl fiel auf Objekte der digitalen Datenspeicherung aus drei Gründen: Erstens war die Speicherung von Daten ein wichtiger Mehrwert digitaler Technologien. Zweitens veränderte die Entwicklung neuer Speichertechnologien immer wieder den Umgang mit digitaler Technik und wirkte sich außerdem auf die Gestaltung der Hardware aus. Drittens hat jede und jeder von uns in seinem Alltag Kontakt mit solchen Objekten der digitalen Speicherung. Nachdem die Studierenden sich theoretisch mit Objektgeschichte und kulturwissenschaftlichen Annährungen an digitale Speicher beschäftigt sowie einen Einblick in die Arbeit der kuratorischen Arbeit bekommen haben, wählten sie aus dem Fundus des Museums für Kommunikation in Kleingruppen ikonische Objekte aus der Geschichte digitaler Speichermedien aus.

Konzeption der Ausstellung

Im Sinne von Blended Learning und Inverted Classroom Konzepten arbeiteten die Studierenden selbstständig zu ihren jeweiligen Objekten und stellten neue Ergebnisse in den wöchentlichen Sitzungen der gesamten Gruppe vor. Zusätzlich wurden die Fortschritte der Kleingruppen in Mahara-Portfolios dokumentiert. Die Kommentarfunktion in Mahara ermöglichte auch außerhalb der Sitzungen, Fragen zu stellen und Hinweise zu geben. In den Sitzungen haben wir die Besonderheiten und kulturellen Einbettungen der Objekte besprochen und leitende Aspekte herausgearbeitet. Als zentrales Element wählten die Studierenden die Miniaturisierung der Speichermedien und überführten dies in das Gesamtkonzept der Ausstellung. Das Konzept der Ausstellung wurde von den Teilnehmer:innen gemeinsam in einem kooperativen Etherpad in moodle verschriftlicht.

Digitale Ausstellung

Für die Entwicklung einer digitalen Ausstellung war es notwendig einen Überblick über die Möglichkeiten verschiedener Tools zu bekommen. Dies war die Aufgabe unseres studentischen E-Lerning Experten Lasse Stelzer. Nach seiner Auswertung der möglichen Tools und in Absprache mit dem Museum für Kommunikation entschieden wir uns für die Plattform Google Arts and Culture. Neben dem Vorteil, dadurch auf die Ressourcen und Erfahrungen des Museums zurückgreifen zu können, hat diese Plattform eine sehr große Reichweite und viele Besucher:innen.

Ausstellungen bei Google Arts & Culture bestehen aus Präsentationsfolien mit einer Kombination von Bildern und kurzen Texten und ähneln sehr den Vorgaben in realen Ausstellungen. Leider ist der Zugriff bei Google Arts & Culture auf wenige Personen beschränkt, sodass die Studierenden nicht selbstständig mit dem Tool experimentieren konnten. Seitens der TU Darmstadt hatte nur unsere Hilfskraft Lasse Stelzer eine Zugangsberechtigung. Um gemeinsam Gestaltungsfragen zu diskutieren,

nutzten wir daher die Möglichkeit, den Bildschirm zu teilen.

Bei der Gestaltung einer Ausstellung ist neben der Objektauswahl auch die Präsentation der Objekte entscheidend. Da wir den Aspekt der Miniaturisierung der Speichermedien im Laufe der Geschichte in den Mittelpunkt gestellt haben, musste die Größe des jeweiligen Mediums aus der visuellen Präsentation hervorgehen. Daher kombinierten wir die Objekte mit Legofiguren, sodass in der Ausstellung der Größenunterschied zwischen Lochkarte, Magnetband und Flashspeicher offensichtlich ist. Gleichzeitig konnten wir dadurch attraktive Bilder komponieren.

Fazit

Gemeinsam haderten wir an einigen Stellen mit technischen Schwierigkeiten wie fehlenden Bildern oder wechselnden Vorgaben durch eine neue Google Arts & Culture Version. Besonders für die Studierenden war es teilweise anstrengend, weil nicht alle gestalterischen oder inhaltlichen Vorstellungen realisiert werden konnten. Gleichzeitig unterstrich genau diese Erfahrung den Wert und Erfolg der Übung: Denn nur durch die aktive Mitarbeit bei der Ausstellungsgestaltung konnten den Studierenden Erfahrungen vermittelt werden, die sehr nah am Alltag von Kurator:innen sind. Ausstellungen zu kuratieren bedeutet immer wieder Frustration, aber nicht nur – denn am Ende steht in den meisten Fällen ein tolles Produkt. So auch in dieser Übung: Am 14.12.21 ging die gemeinsam gestaltete Ausstellung online und ist seitdem für alle Welt zu sehen. Die Ausstellung wurde in Zeitungen und Rundfunkt durchweg positiv rezensiert.

https://artsandculture.google.com/story/VQXBq16p7orTYw

Rezensionen:

https://www.rbb-online.de/rbbkultur/radio/programm/schema/sendungen/der_tag/archiv/20211216_1600/kultur_aktuell_1610.html

https://www.fr.de/rhein-main/fast-bis-zur-unendlichkeit-91184395.html


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