Dr. Guido Rößling ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Informatik der TU Darmstadt und hat bereits mehrfach die Einführungsvorlesung „Funktionale und objektorientierte Programmierkonzepte“ mit ca. 800 – 1.000 Hörerinnen und Hörern gehalten.
In seiner Lehrveranstaltung setzt er das Plugin „Nachgefragt/Hot Question“ in Moodle ein, um live Rückfragen der Studierenden zu sammeln und zu beantworten. Im Interview schildert er Gründe und gemachte Erfahrungen.
Warum setzt Du das Nachgefragt-Tool in Deiner Lehrveranstaltung ein?
Die Einführungsvorlesung „Funktionale und objektorientierte Programmierkonzepte“ verzeichnete in den vergangenen Jahren eine wachsende Anzahl an Studierenden. Das Audimax wurde zu klein und die Vorlesung musste in weitere Räume live übertragen werden. Hierdurch entstand unter anderem die Herausforderung auf Rückfragen derjenigen Studierenden, die nicht im gleichen Hörsaal wie ich sitzen, angemessen und zeitnah reagieren zu können. Das Nachgefragt-Plugin bietet eine gute Möglichkeit via Pad während der Vorlesung den Kontakt zu diesen Studierenden zu halten – auch bei ganz praktischen Problemen, wie „Tonübertragung läuft nicht“, oder „Beamer ist schwarz“.
Insgesamt erhalten die Studierenden eine einfache Möglichkeit insbesondere inhaltliche Fragen, bei Bedarf auch anonym, in der Vorlesung zu stellen.
Gerade grundlegende Verständnisprobleme, kann ich durch den regelmäßigen Blick auf das Nachgefragt-Tool zeitnah bemerken und entsprechend aufklären.
Wenn wenig Zeit in der Vorlesung vorhanden ist, bietet die Ranking-Funktion des Tools die Möglichkeit bspw. in einem Frage-Antwort-Block am Ende der Vorlesung die Top-3 Fragen der Studierenden zu besprechen. Dies wirkt sich auch motivierend auf die Studierenden aus Fragen zu posten und das Ranking mitzugestalten. Im Nachgang zur Vorlesung werden die gestellten Fragen auch nochmals schriftlich im Moodle-Kurs von mir beantwortet, so dass nicht in der 90-minütigen Aufzeichnung die entsprechende Stelle herausgesucht werden muss.
Wie hat sich durch den Einsatz des Nachgefragt-Werkzeugs Dein Vorlesungsstil verändert?
Die Vorlesung musste ich an sich nicht großartig im Ablauf umbauen. Ich hatte auch bereits davor ad hoc gestellte Fragen der Studierenden beantwortet oder Zeitslots, z.B. während der Pause oder am Ende der Lehrveranstaltung, für Rückfragen reserviert. Das heißt 5-15 Minuten pro Vorlesung waren sowieso bereits dem Beantworten von Fragen vorbehalten. Der Unterschied zu früher ist, dass ich jetzt gezielter steuern kann, wann ich auf gestellte Fragen eingehe. Die kognitive Beanspruchung hat sich jedoch durch das regelmäßige im Blick behalten des Nachgefragt-Tools erhöht. Das ist durchaus anstrengend, wobei ich jedoch auch bewusst Phasen eingebaut habe, insbesondere beim intensiveren Erklären von bestimmten Inhalten, in denen ich nicht auf das Pad geschaut habe. Alternativ holt man sich die Unterstützung einer studentischen Hilfskraft oder von wissenschaftlichen Mitarbeiter_innen.
In welchem Lehr-Lernsetting lohnt sich der Einsatz des Nachgefragt-Tools aus Deiner Sicht?
Prinzipiell ist ein sehr breiter Einsatz denkbar, je nach didaktischer Zielsetzung. Ein hoher Mehrwert zeigt sich aus meiner Sicht jedoch gerade in großen Lehrveranstaltungen, in denen die Interaktion mit den Studierenden aufgrund der hohen Teilnehmerzahlen eine besondere Herausforderung darstellt. Auch wenn eine hohe Heterogenität der Studierenden in Bezug auf den Wissensstand festzustellen ist, lohnt sich der Einsatz, da somit auch „schwächere“ Studierende mit ihren individuellen Fragen besser abgeholt werden können. Insgesamt erhalte ich somit als Lehrender einen guten Einblick, welche inhaltlichen Fragestellungen bzw. Probleme in meiner Veranstaltung insgesamt vorhanden sind.
Wie ist das Feedback Deiner Studierenden zum Einsatz des Nachgefragt-Werkzeugs?
Da es sich um eine Erstsemestervorlesung handelt, hat das Setting bei den Studierenden keine großen Fragezeichen hervorgerufen. Es wurde davon ausgegangen, dass der Einsatz dieses Werkzeugs eben der Normalfall ist. Auch gab es, für die tendenziell ja sowieso recht IT-affinen Studierenden der Informatik, keine technischen Hürden. Eine kurze Anmoderation des Tools war somit völlig ausreichend.
Der Prozess des Fragenstellens stellte sich bei den Studierenden ebenfalls sehr schnell ein, da das Ernstnehmen des Problems und das zeitnahe Beantworten durch mich, entsprechend motivierend auf die Studierenden wirkte.
Durch die Möglichkeit anonym Fragen zu stellen geht die Scheu verloren, womöglich „dumme Fragen“ zu stellen.
Das hat einen wertvollen psychologischen Effekt auf die Studierenden und motiviert sie sich auch kontinuierlich mit den Inhalten auseinanderzusetzen. Insgesamt stellten die Studierenden während der kompletten Vorlesung 211 Fragen, 162 davon anonym, ohne eine einzige „Quatschfrage“. Dies zeigt aus meiner Sicht die hohe Akzeptanz und den Mehrwert dieses Settings für die Studierenden in der Lehrveranstaltung.