Gastbeitrag aus der Lehrpraxis im Fachbereich Architektur von Prof. Dr.-Ing. Oliver Tessmann
Digitaler Workflow im Architekturentwurf
Als ein neues Team von Lehrenden an der TU Darmstadt hatten wir im Sommersemester die Aufgabe ca. 200 Studierende aus dem zweiten Semester in das Thema Gestalten mit Medien einzuführen. Wir hatten die Herausforderungen:
- die große Anzahl Studierender nicht als Belastung zu betrachten, sondern als ein Vorteil.
- Kontinuität im Curriculum zu schaffen, so dass sich plastisches und digitales Gestalten gegenseitig befruchten.
- trotz geringer finanzieller Mittel eine hochqualitative Lehre und Betreuung zu gewährleisten.
- eine hohe Anzahl neuer technischer Fertigkeiten zu vermitteln.
Moodle hat uns geholfen diese Herausforderungen zu meistern.
Die Lehrveranstaltung Gestalten mit Medien des Faches Architektur des zweiten Semesters besteht aus einer Vorlesung als Präsenzveranstaltung und einer Übung auf Moodle. Die Veranstaltung endet mit einem Kolloquium und einer Ausstellung als Präsenzveranstaltung. Die Vorlesung wurde von Prof. Tessmann und Gastrednern absolviert. Die Übung wurde von dem wissenschaftlichen Mitarbeiter Anton Savov und den studentischen Tutoren Sebastian Seibert, Philipp Vehrenberg und Louisa Wenkemann durchgeführt. Ala Seyed Hosseinziad unterstützte das Team als studentischer Tutor und geschulter Moodle Experte finanziert durch zentrale QSL Mittel.
In der Vorlesung wird der Zusammenhang von Architektur und den Entwurfswerkzeugen (Medien) anhand von Gebäuden, Zeichnungen, Modellen und Herstellungsprozessen erläutert. Die Vorlesung vernetzt Architektur und Kunst, die Moderne mit der Renaissance und das studentische Entwerfen mit gebauten Projekten. Die Übung findet in Moodle statt und besteht aus vier Aufgaben. Jede Aufgabe setzt sich aus einem technisch darstellenden und einem gestalterischen Teil zusammen. Teilnehmer erlernen also zunächst eine Software, indem sie Inhalte als Digitalfotografien, Zeichnungen und 3D Modellen darstellen und nutzen im zweiten Teil der Aufgabe das neu erworbene Wissen für eine eigene kleine Entwurfsaufgabe. Der Startpunkt der Übung ist ein tönernes Module, das die Studierenden im vorangegangenen Semester im Fachgebiet Plastisches Gestalten entworfen haben. Dieses stoffliche Objekt wird nun in der digitalen Welt weiterbearbeitet, damit ist eine Kontinuität in der Lehre sichergestellt und Studierende können Potentiale und Grenzen beider Arbeitsweisen vergleichen. Konsequenterweise wandert auch die Lernumgebung vom Plastensaal in die digitale Umgebung von Moodle.
Die Aufgaben haben folgende Themen:
Bild : Modellbaufotografie, digitale Bildbearbeitung und Kollagen aus Pixelbildern.
Muster : CAD Zeichnung, Mustererstellung als Vektorgrafik.
Gestalt : 3D Modellierung, Laserschneiden und eine dreidimensionale digitale, parametrische Komposition.
Prototyp : Computergestützter Modellbau, physisches Modell der Komposition.
Die Aufgaben bauen aufeinander auf und thematisieren digitale Prozessketten von den ersten Ideen bis zum prototypischen Modell. Auf Moodle finden die Studierenden die Aufgabenstellung in Textform und illustriert durch Bilder und Videos.
Softwaretutorien werden in PDF Form und als Videos zur Verfügung gestellt. Sie beschreiben Schritt für Schritt wie der technisch-darstellende Aufgabenteil gelöst werden kann. Bei der Entwurfsaufgabe ist eigene Kreativität gefragt. Die erarbeiteten Aufgaben laden die Teilnehmer auf Moodle hoch. Hier geben Betreuer anschließend Feedback und bewerten die Aufgaben. Moodle hilft dabei vorher festgelegte Aufgabedaten einzuhalten. In einem Moodle Forum stellen Teilnehmer Fragen hinsichtlich technischer, inhaltlicher und administrativer Themen. Tutoren sind zu verabredeten Zeiten im Forum aktiv und beantworten die Fragen. Die Studierenden werden ermutigt aktiv im Forum zu sein und sich gegenseitig zu helfen. Ziel ist es das Forum veranstaltungsübergreifend zu einer Wissensdatenbank auszubauen.
Die Fragen in einem Moodle Forum zu sammeln macht Masse zu Qualität. Die hohe Teilnehmerzahl wird zu einer Ressource statt zu einer Belastung für die Lehrenden, da alle Fragen und Antworten für alle einsehbar sind und jeder sein Detailwissen zu einem großen Ganzen beitragen kann.
Eine Bildgalerie auf Moodle zeigt den Teilnehmern die gestalterischen Ergebnisse der anderen Studierenden. Die Bilder helfen bei der Einordnung der eigenen Ergebnisse. Neben dem Forum war dies eine zweite Maßnahme, um die Größe der Gruppe auf eine positive Weise zu nutzen.
Lernziele der Veranstaltung
Software lernen
Durch die Teilnahme an den Übungen erlernen die Studierenden grundlegende Kenntnisse digitaler Gestaltungswerkzeuge. Die Veranstaltung vermittelt über Online Tutorien gezielt ausgewählte Funktionen, die eng mit der Gestaltungsaufgabe zu tun haben. Auf Moodle werden Videos und PDF Dateien zum Herunterladen bereitgestellt.
Lernen lernen
In den Übungen sollen Teilnehmer lernen zu lernen, d.h. Strategien zu entwickeln sich neue Themen eigenständig zu erschließen. Dafür kommt das Moodle Forum zum Einsatz. Alle technischen, gestalterischen und administrativen Fragen werden öffentlich im Forum gepostet. Das schriftliche Formulieren von Fragen hilft bei der Eingrenzung und Präzisierung. Je besser eine Frage formuliert wird, umso schneller und qualifizierter ist die Antwort, die man von Tutoren und Kommilitonen erhält. Die so erworbenen Kompetenzen helfen auch jenseits von Moodle für eine qualifizierte und effiziente Onlinerecherche. Das Beantworten von Fragen anderer Teilnehmer hilft das neu erworbene Wissen anzuwenden und zu verstetigen.
Gestaltung lernen
Das Entwurfsmedium/-werkzeug ist kein neutraler Transformator von Ideen in Zeichnungen und Modelle. Methoden und Werkzeuge, die wir beim Entwerfen verwenden prägen auch das Entwurfsergebnis. Diese Erfahrung sollen die Teilnehmer beim Bearbeiten der vier Übungen machen.
Moodle – Ein Mehrwert für Studierende und Lehrende
Moodle hat alle Teilnehmer – Studierende und den Lehrende – angehalten, von Beginn an eindeutige und objektive Abläufe, Aufgaben und Kriterien für die Veranstaltung zu etablieren. Dies galt auch zu einem großen Anteil für die in der Architektur wichtigen subjektiven und intuitiven Aspekte wie gestalterische Qualität, Ästhetik und Präzision. Diese Objektivität fanden wir gut und sie half uns mit der großen Gruppe von Studierenden zu arbeiten.
Mehrwert für Studierende
- Hohe räumliche und zeitliche Flexibilität beim Bearbeiten der Übungen
- Eigene Geschwindigkeit beim Erlernen neuer Inhalte durch PDF- und Videotutorien.
- Ein Forum als Wissensdatenbank, in der man die Fragen und Antworten aller Studierenden und Lehrenden wiederfindet.
- Eine Bildgalerie, die die Arbeiten anderer nicht erst bei der Endabgabe zeigt, motiviert und erzeugt auf positive Weise einen konstruktiven Wettbewerb.
Mehrwert für Lehrende
- Das Forum macht das Beantworten der immer gleichen Fragen überflüssig und hilft gezielt Antworten geben zu können
- Gute Kommunikationskanäle durch Forum und Nachrichtenforum.
- Schneller Überblick über tatsächlich teilnehmende Studierende.
- Gute Dokumentation der Abgabeleistungen der Studierenden und den dazugehörigen Bewertungen.
- Die Bildgalerie hilft beim Vergleichen der Arbeiten.
- Die hohe Anzahl Studierender wird zum Vorteil durch ihre Vernetzung in Moodle.
Unsere Veranstaltung ist in Moodle modular aufgebaut. Einzelne Aufgaben und Softwaretutorien können ergänzt, weiterentwickelt oder ersetzt werden, ohne dass die Gesamtkonzeption geändert werden muss. Das Forum ist eine anwachsende Datenbank, die weitergeführt wird und somit ständig mehr Informationen bietet. Die dort gestellten Fragen geben aber auch den Lehrenden Hinweise wie die Veranstaltung in Zukunft verbessert werden kann. Diese Struktur stellt sicher, dass wir Moodle auch in Zukunft effizient in unserer Lehre einsetzen können.