Gastbeitrag aus der Lehrpraxis von Dr. Christiane Brockmann aus dem Fachbereich Bau- und Umweltingenieurwissenschaften
Einleitung
Studierende in der Studieneingangsphase, die ein Praktikum in einem Grundlagen(neben-)fach absolvieren müssen, bringen häufig sehr unterschiedliche Voraussetzungen mit. Während ein Teil der Studierenden schon sehr souverän mit den zu bearbeitenden Materialien und Geräten umgeht, sind einige andere überfordert, die Versuche im vorgegebenen Zeitfenster ohne andauernde Unterstützung durch die Tutor_innen durchzuführen.
Um die Laboröffnungszeiten zu minimieren und die Betreuungsressourcen zu schonen, wurden in der hier vorgestellten Veranstaltung verschiedene Angebote zur Vorbereitung auf das Praktikum gemacht, die die Studierenden auch ohne tutorielle Unterstützung sinnvoll nutzen können. Rückmeldungen aus vorangegangenen Jahrgängen hatten deutlich gemacht, dass unerfahrene Studierende wenig Vorstellung von Dimension und Komplexität der zu verwendenden Gerätschaften haben. Daher wurde ein besonderer Schwerpunkt auf die visuelle Darstellung der zu vermittelnden Inhalte gelegt.
Ausgangslage Modul Chemie II
Im Studiengang Umweltingenieurwissenschaften wird die Erstsemesterpflichtveranstaltung Chemie I – Einführung in die Chemie für Ingenieure im zweiten Semester mit dem Modul Chemie II – Stöchiometrisches Rechnen und quantitative Analytik für Ingenieure weitergeführt. Das Modul besteht aus einer Vorlesung mit 2 SWS und einer benoteten Studienleistung mit insgesamt sechs Präsenzstunden im Praktikum, für die ein Antestat zu absolvieren und ein benotetes Protokoll einzureichen ist.
Die Veranstaltung soll die in Chemie I vermittelten Inhalte durch die praktische Anwendung festigen sowie den Studierenden eine Einführung in die chemische Analytik hinsichtlich der verwendeten Methoden und Kenndaten bieten. Durch einen starken Praxisbezug der gewählten Versuche soll die Relevanz der Inhalte für das umweltingenieurwissenschaftliche Studium unterstrichen werden.
Die insgesamt ca. 140 Teilnehmer_innen arbeiten für das Praktikum in (selbstgewählten) Vierergruppen zusammen. Für die Mehrzahl der Teilnehmer_innen ist dies der erste Kontakt mit analytischer Laborarbeit. Immer wieder gibt es aber auch Teilnehmer_innen, die durch eine vorangegangene Ausbildung oder eine Nebentätigkeit bereits über viel Laborerfahrung verfügen.
Begleitend zu den Präsenzveranstaltungen gibt es einen moodle-Kursraum, in dem Skripte, Folien, Online-Tests zum Lernstoff sowie Aufgaben bereitgestellt werden und über den die Organisation der Praktikumsversuche (Gruppenbildung ; Terminwahl; Einreichung und Bewertung der Protokolle) abgewickelt wird.
Didaktischer Rahmen der Praktikumsversuche
Die Studierenden werden in der Vorlesung mit den theoretischen Grundlagen und den Inhalten der Praktikumsversuche vertraut gemacht. Vorbereitend zu den Praktikumsversuchen gibt es
- ein Skript,
- Zusammenfassungen der theoretischen Grundlagen als pdf-Files,
- online-Übungen zum Training der benötigten Berechnungen
- sowie freiwillig zu bearbeitende Bonusaufgaben.
Die erfolgreiche Vorbereitung auf das Praktikum wird in einem Antestat vor Versuchsantritt (für jede/n Teilnehmer_in einzeln) überprüft. Ein nicht bestehen des Antestats führt zum Ausschluss aus dem Praktikum. Diese Kontrolle hat sich als notwendig erwiesen, da durch unzureichend vorbereitete Studierende Gefahrensituationen entstehen können oder unnötig viel Verbrauchsmaterialien verschwendet werden. Hinzu kommt, dass ohne ausreichende Vorbereitung die Versuche nur mechanisch abgearbeitet werden können und die Tutor_innen damit ausgelastet sind diese Arbeitsschritte anzuleiten ohne dass es zu einer Reflektion über die zu erlernenden Zusammenhänge kommen könnte.
Im Anschluss an das Praktikum erstellt jede Gruppe gemeinsam ein Ergebnisprotokoll, das über moodle einzureichen ist und nach einem zuvor vereinbarten Bewertungsschlüssel korrigiert wird.
Einsatz zusätzlicher Visualisierungs-Materialien zur gezielten Vorbereitung
Um unerfahreneren Studierenden die Vorbereitung auf das Praktikum zu erleichtern, wurden zusätzliche Materialien entwickelt, die durch ihre visuelle Aufbereitung dazu beitragen sollten diesen Teilnehmer_innen eine bessere Vorstellung der auszuführenden Tätigkeiten zu vermitteln.
Zur Realisierung des Projektes wurden Studierende des Fachbereiches Chemie eingesetzt, die unterschiedliche Aspekte der Vorbereitung in Form von Videos, Präsentationen und Postern aufbereitet haben.
Auf diese Weise konnten unter Anderem längere Monologe der Tutor_innen, in denen z.B. die Funktionsweise einer Analysenwaage erläutert wurde, unter Verweis auf die online bereitstehenden Materialien vermieden werden. Die eingesparte Zeit kann für einen Dialog mit den Studierenden über verbleibende Fragen verwendet werden. In diesem Dialog können die Tutor_innen sehr viel schneller erfassen, ob die Teilnehmer_innen der betreuten Gruppe schon erfahren oder eher unerfahren sind. So können sie speziell auf den Kenntnisstand angepasst weitergehende Informationen geben und die Aufmerksamkeit der Studierenden auf besonders schwierige oder gefährdende Versuchsteile richten.
Folgende Materialien wurden im Rahmen des durch die E-Learning-Arbeitsgruppe geförderten Projektes „Studentische E-Learning Tutoren“ erstellt:
Videos:
- Verhalten im Gefahrenfall
- Gut organisiert im Praktikum?
- Verwendung von Schnellteststreifen
- Gebrauch einer Analysenwaage
- Bedienungsanleitung für das Photometer
- Umgang mit Eppendorf-Pipetten
- Dünnschichtchromatographie
Beispielvideo “Gut organisiert im Praktikum?”, © Dennis Freischlader, Stefanie Blasinger, Ellen Janiel, Wolf Wüscher, Dr. Christiane Brockmann
Präsentationen:
- Richtig filtrieren
- Richtig titrieren
- Umrechnungsfaktoren für Stickstoffparameter
- Verdünnungs- und Mischungsrechnung
Poster
- Volumenmessgeräte
- Auswertemethoden
- Probenvorbereitung und Ergebnisangabe
- Grafische Endpunktsbestimmung
Die Rückmeldungen der Studierenden auf die erstellten Materialien waren durchweg positiv. Insbesondere bei den erstellten Videos sorgte die kreative Umsetzung durch die Chemiestudierenden dafür, dass die Filme kurzweilig waren und häufig vollständig angesehen wurden. Sorgfältig gesprochene Erläuterungstexte und kurze Animationen ermöglichen es, die Aufmerksamkeit aufrecht zu erhalten und gezielt auf bestimmte Inhalte zu lenken.
Die Nutzungsrate der drei Formate war etwas unterschiedlich. Am häufigsten wurden mit etwa 75 % der Teilnehmenden die Präsentationen angesehen. Poster und Videos wurden von etwa 60 % der Teilnehmer_innen angeschaut.
Zusammenfassung
Im Rahmen des vorgestellten Moduls wurden zahlreiche visuelle Zusatzmaterialien in unterschiedlichen Formaten durch studentische Hilfskräfte erstellt.
Zum einen kann der starken Heterogenität hinsichtlich der Laborerfahrung entgegengewirkt und zum anderen die Betreuungsqualität bei gleichbleibendem Ressourcenverbrauch deutlich gesteigert werden.
Tutor_innen, die zuvor für 35 studentische Gruppen den gleichen 10 minütigen Monolog z.B. zum richtigen Gebrauch einer Analysenwaage halten mussten (und dabei nur schwer auch bei der letzten Gruppe noch mit dem gleichen Enthusiasmus über das Thema referieren konnten), können nun unter Verweis auf die vorhandenen Materialien direkt in den Dialog mit den Studierenden einsteigen, deren Vorerfahrung zügig einschätzen und offene Fragen vor Versuchsbeginn klären.
Die Rückmeldungen der Studierenden sind durchweg positiv. Die Tutor_innen schätzen insbesondere die freigewordenen zeitlichen Ressourcen, die für eine interaktive Arbeit genutzt werden können.
Die Materialien werden in den kommenden Semestern noch weiter ergänzt. Der Bedarf an weiteren Ergänzungen ergibt sich durch die Reflektionen des Tutor_innenteams und die Kurzevaluation des Praktikums mit den Studierenden am Ende eines Praktikumsdurchlaufes.